Mensch-über-Bord-Manöver mit Catch-and-Lift-Bergesystem

Der Bericht von Blauwasser.de erklärt sehr gut unser Bergesystem von
MS Safty GmbH, mit welchem auch Yvonne mich im Ernstfall ohne Kraftaufwand und grosse Mühe aus dem Wasser bringt.

Die Mensch-über-Bord-Situation

Sie ist der Albtraum eines jeden Seglers: die Mensch-über-Bord-Situation. Natürlich haben wir das alle irgendwann einmal in der Theorie gelernt und in der Praxis bei ruhigem Wetter im Hafen dem Prüfer vorgeführt, um an unseren Sportbootführerschein zu gelangen. Aber der Ernstfall sieht in der Regel ganz anders aus. Zum einen handelt es sich um eine reale Person und nicht um eine Übungsboje – da liegen die Nerven dann schon mal blank. Zum anderen entsprechen die Bedingungen im Rahmen der Prüfung in den seltensten Fällen der Realität auf hoher See.

Bergesysteme, die in so einer Extremsituation helfen sollen, eine Person an Bord zu bekommen, gibt es viele und gerade in den letzten Jahren hat sich einiges getan. Mit dem Catch-and-Lift-System der MS Safety GmbH ist ein weiteres Bergesystem für das Mensch-über-Bord-Manöver dazugekommen – nur mit dem Unterschied, dass es sich um ein vergleichsweise einfaches MOB-System handelt, was die Handhabung betrifft.

Umso schöner ist es daher, dass mit diesem System eine Lösung auf den Markt gekommen ist, die dieses Problem vergleichsweise einfach löst – zumindest dann, wenn ein paar Voraussetzungen erfüllt sind. Welche das sind, wie das System funktioniert, was dabei beachtet werden muss und was unser Test ergeben hat, werde ich im Folgenden ausführen.

Vorbereitung für das MOB-Bergesystem

Damit das Bergesystem einwandfrei funktioniert, sollte am Oberwant in einer Höhe von 1,80 Meter über dem Laufdeck eine Drahtschlaufe montiert werden. Dies geschieht mit Hilfe von vier Inbusschrauben.

Wichtig: Die Klemme muss zum Wantdurchmesser passen. Daher ist es bei der Bestellung erforderlich, die Dicke des Oberwantes mit anzugeben.

Logischerweise wird die Drahtklemme mit Schlaufe nicht erst im Ernstfall montiert. Vielmehr sollte dies bereits vor der Abfahrt im Hafen erfolgen. Anschließend kann sie dort die ganze Zeit über montiert bleiben. Egal, ob es sich dabei um einen Chartertörn oder eine Weltumsegelung handelt.

Es ergibt Sinn, die Drahtklemme mit Schlaufe auf der Seite zu montieren, auf der sich der Gashebel des Motors befindet, da das System nur mit Motor-Unterstützung funktioniert. So hat die Person, die den Gashebel bedient, die havarierte Person im Wasser stets im Blick, wenn die Drehzahl verändert wird. Gerade bei sehr breiten Schiffen, wie Katamaranen, ist dies von elementarer Bedeutung.

So funktioniert das Mensch-über-Bord-System

Wenn eine Person über Bord fällt, spielen zwei wichtige Aspekte eine Rolle. Erstens brauche ich relativ zügig eine Verbindung zur havarierten Person, damit ich sie nicht verliere. Zweitens muss ich die Person auch wieder an Bord bekommen, was nicht immer einfach ist. Beide Dinge werden vom Catch-and-Lift-System erfüllt. Mehr noch: Das System wird meiner Meinung nach auch in einer Stresssituation gut funktionieren, da alle Komponenten in einem einzigen Koffer untergebracht und ähnlich wie bei einem Feuerlöscher mit Ziffern von eins bis drei beschriftet sind. Die Ziffern geben klar vor, in welcher Reihenfolge zu verfahren ist.

Unabhängig von der Beschriftung, die die Reihenfolge vorgibt, besteht das System aus folgenden Komponenten:

Rettungsschlaufe: Die Rettungsschlaufe wird um die im Wasser befindliche Person gelegt. Alternativ befindet sich an der Rettungsschlaufe ein Karabinerhaken, mittels dessen sich die Person, sofern sie eine Rettungsweste trägt, einpicken kann.

60 Meter Schwimmleine: Die Schwimmleine führt von der Rettungsschlaufe über eine Umlenkrolle durch eine Curryklemme zu einem großzügig dimensionierten Treibanker, der herstellerseitig Bremsschirm genannt wird.

Umlenkrolle: Die Umlenkrolle wird über einen Karabinerhaken am Schiff befestigt. Dadurch entsteht eine Verbindung zwischen der Person im Wasser und dem Schiff.

Bremsschirm: Der Bremsschirm wird achteraus gegeben. Er hat die Form eines Treibankers und füllt sich schnell mit Wasser. Dadurch zieht er vom fahrenden Schiff weg und in der Folge über die Umlenkrolle die Person in der Rettungsschlaufe zum Schiff hin.

Das ist ganz vereinfacht dargestellt der Aufbau des Systems. Diese Darstellung hat allerdings nichts mit der Reihenfolge zu tun, in der die einzelnen Komponenten benutzt werden. Die zu unternehmenden Schritte im Rahmen der Bergung sind vielmehr die folgenden:

Schritt 1: Umlenkrolle am Oberwant einpicken

Nach dem Öffnen des wasserdichten gelben Koffers kommt ein Karabinerhaken, der mit der Ziffer 1 beschriftet ist, zum Vorschein. Am Karabinerhaken befindet sich die Umlenkrolle. Während der Koffer im Cockpit verbleibt, geht eine Person mit dem Karabinerhaken zur Drahtseilklemme mit Schlaufe am Oberwant und hakt diesen dort ein.

Als Alternative zur Drahtseilklemme mit Schlaufe bietet der Hersteller auch an, das System an der Baumknock bzw. der Dirk zu befestigen. Das mag funktionieren. Allerdings frage ich mich, ob die Baumnock immer einsatzbereit ist – vor allem, wenn Segel gesetzt sind. Und wir verhindere ich das Schlagen des Baumes in der See? Ich persönlich glaube daher, dass im Ernstfall unter Stress die Variante mit der Drahtseilklemme die deutlich bessere ist und würde deshalb dazu raten, diese gleich mit zu erwerben.

Der Form halber sei auch noch erwähnt, dass zur Umlenkrolle auch eine Curryklemme gehört. Dadurch wird erreicht, dass die Schwimmleine nur in eine Richtung über die Umlenkrolle laufen kann. Logischerweise ist das die Richtung, in der die Person zum Schiff hin gezogen wird 🙂

Schritt 2: Leinenverbindung mit MOB-Person herstellen

Im nächsten Schritt wird dem Koffer die mit der Ziffer 2 gekennzeichnete Rettungsschlaufe entnommen. Sie wird auf der Seite, an der die Drahtseilklemme mit Schlaufe am Oberwant befestigt wurde, über Bord geworfen. Im Idealfall erfolgt das Überbordwerfen der Rettungsschlaufe mit Fahrt im Schiff und relativ zügig nach dem Einhaken der Umlenkrolle in die Drahtseilklemme mit Schlaufe.

Nun wird die im Wasser befindliche Person im sicheren Abstand mit Motorunterstützung umkreist. Durch den Wasserwiderstand und die Fahrt im Schiff spult die Schwimmleine, die in zwei Kammern in der Rettungsschlaufe untergebracht ist, aus der Rettungsschlaufe aus. Dadurch, dass ein Kreis um die im Wasser befindliche Mensch-über-Bord-Person gefahren wird, sollte die Person früher oder später die ausgespulte Schwimmleine mit der Rettungsschlaufe am Ende zu fassen bekommen.

Nun ist es an der Zeit, die Fahrt aus dem Schiff zu nehmen, damit sich die MOB-Person im Wasser in Ruhe mit der Rettungsschlaufe verbinden kann. Dabei gibt es übrigens zwei Möglichkeiten: Entweder wird der an der Rettungsschlaufe befindliche Karabinerhaken in die Rettungsweste eingehakt (setzt voraus, dass die Person im Wasser eine Rettungsweste trägt) oder aber die Rettungsschlaufe wird um den Oberkörper gelegt und unter die Achseln gezogen.

Erfreulicherweise wurde hierbei vom Hersteller bedacht, dass es bei Nacht oder schlechten Sichtverhältnissen Schwierigkeiten bereiten kann, der Person auf dem Schiff zu signalisieren, wann die Verbindung hergestellt ist. Daher hat der Hersteller an der Rettungsschlaufe eine Pfeife angebracht, mittels derer ein Signal gegeben werden kann.

Wenn sicher ist, dass die Leinenverbindung steht, kann mit dem nächsten Schritt begonnen werden. Vorher nicht!

Bremsschirm auswerfen

Es folgt der letzte Griff in den Koffer. Dort befindet sich ein kleines weißes Päckchen, das mit der Ziffer 3 beschriftet ist. In dem Päckchen befindet sich der sogenannte Bremsschirm – eine Art Treibanker. Praktischerweise muss das Päckchen nicht geöffnet werden, sondern kann einfach so, wie es ist, über Bord geworfen werden. Innerhalb weniger Sekunden löst sich die umweltfreundliche Verpackung auf und der Bremsschirm entfaltet sich im Wasser – vorausgesetzt, es befindet sich Fahrt im Schiff.

Mit ein Grund für diese Verpackung ist, dass der Bremsschirm auch bei starkem Wind als Paket im Wasser landet und nicht versehentlich vom Wind erfasst werden kann und sich dann womöglich am Schiff verheddert.

Nur der Form halber sei erwähnt, dass der Bremsschirm auf derselben Seite des Schiffes ausgebracht werden muss, wie die Rettungsschlaufe zuvor auch

Über den Gashebel kann nun die Fahrt im Schiff reguliert werden. Je stärker der Schub, desto stärker die Wirkung des Bremsschirms. Da der Bremsschirm durch den Wasserdruck achteraus gezogen wird und dabei kräftig an der Schwimmleine zieht, wird die Person in der Rettungsschlaufe auf der anderen Seite der Umlenkrolle zum Schiff hingezogen.

Hierbei sollte die Person im Wasser kontinuierlich beobachtet werden und die Rückholgeschwindigkeit nicht zu schnell gewählt werden, da die verunglückte Person andernfalls, bedingt durch die eigenen Bugwelle, überspült werden kann. Dagegen hilft übrigens laut Hersteller, wenn sich die Person beim Zum-Schiff-Schleppen auf den Rücken legt. Das haben meine Mitseglerin und ich allerdings nicht ausprobiert, weil wir es nicht wussten.

Nach einer Weile erreichte meine havarierte Mitseglerin im Wasser das Schiff. Ich persönlich war kurz unsicher, ob ich sie dabei unter das Schiff ziehen kann, was fatale Folgen hätte, da hier die Schiffsschraube dreht. Ich habe aber schnell gemerkt, dass es einen einfachen Trick gibt, dem aus dem Weg zu gehen. Dies gelang, indem ich, als sie näher kam, eine leichte Kurve gefahren bin. Konkret: Ich wollte meine zu bergende Mitseglerin an Steuerbord an Deck holen und bin in der Folge beim Näherkommen eine Kurve nach Steuerbord gefahren. Dadurch hat sich die Schwimmleine am Heck vom Schiff weg bewegt.

Irgendwann ist die Mensch-über-Bord-Person mitschiffs neben dem Boot auf der Höhe des Oberwants angekommen und der spannende Teil beginnt: das An-Bord-Heben. Hierfür musste ich deutlich mehr Gas geben, um mehr Druck auf den Bremsschirm zu kriegen. Und siehe da, plötzlich wurde meine Mitseglerin wie von Zauberhand nach oben gezogen und konnte aus eigener Kraft über die Reling an Deck steigen.

Bevor ich zu den gewonnenen Erkenntnissen aus der Benutzung des Systems komme, möchte ich ein Video zeigen, in dem die Rettung nachvollzogen werden kann:

Quellennachweis:
Bericht, Bilder und Video über das Bergesystem ist von Blauwasser.de

Schreiben Sie einen Kommentar